ServiceCenter

Hauptbahnhof: Service vor dem Aus?

Stadtspitze verhandelt mit der Bahn

Die Deutsche Bahn plant mit der Schließung ihres Service-Centers im Hauptbahnhof mal wieder eine Verschlechterung ihres Service für die Großstadt Solingen. Dies jedenfalls befürchtet die Stadtspitze im Rathaus, obwohl bislang von der Bahn AG selbst noch keine entsprechende Ankündigung zu hören war – allerdings auch kein Dementi.

Automaten
An den Automaten und der Infotafel in der Bahnhofshalle gibt es keinen Service.

In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach über eine Schließung des Centers diskutiert, in dem die Reisenden noch auf Menschen treffen, die Auskunft geben und Fahrkarten verkaufen können. Mit den Automaten in der Halle haben viele Reisenden ihre liebe Not. Mal braucht die Software der Maschinen eine halbe Ewigkeit, um das gewünschte Ticket zu berechnen und auszugeben, mal fordert der Automat den passenden Zahlbetrag,den man natürlich gerade nicht in der Tasche hat. Besonders ärgerlich ist das, wenn sich hinter dem Reisenden wie am Rosenmontag rasch eine dicke Traube Wartender bildet und die Abfahrtzeit des Zuges erbarmungslos näher rückt.

 Hauptbahnhof
Der Hauptbahnhof Solingen

Oberbürgermeister Tim Kurzbach und die Verantwortlichen im Rathaus jedenfalls sind alarmiert. Hat die Bahn doch schon vor einiger Zeit im November 2016 aus Kostengründen entschieden, das Center samstags nicht mehr zu öffnen. Seitdem häufen sich die Beschwerden Bahnreisender bei der Stadt. Stadtdirektor Hartmut Hoferichter hat nun um ein Gespräch mit dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn, Werner Lübberink, nachgesucht.

Behinderte und Alte haben das Nachsehen

Nur in dem Reisecenter erhalten Menschen mit Handicap einen barrierefreien Zugang zu Information und Fahrtausweisen. An den Automaten in der Halle kann man von einem barrierefreien Zugang nicht sprechen, baut doch schon die Bedienung Hürden auf. Das deutsche Behindertengleichstellungsgesetz definiert: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“

So hat Kurzbach die Bahn jetzt darauf hingewiesen, dass ältere und gehbehinderte Menschen nur in dem Reisecenter Informationen barrierefrei erhalten. Er regt eine Kooperation der Bahn mit den Solinger Stadtwerken an, die an der Wilhelmstraße gegenüber dem Hauptbahnhof ihr eigenes KundenCenter betreiben.

Die Regiobahn von Mettmann nach Kaarst ist ein Erfolgsmodell – nachdem die Deutsche Bahn die Strecke herunter gewirtschaftet hatte.

Bei alldem ist bezeichnend, dass die Bahn zur Kosteneinsparung beim Service ansetzt. Beides muss nämlich durchaus kein Gegensatz sein, wie die zwischen Mettmann und Kaarst verkehrende Regiobahn beweist. Eigentümer dieser Bahn sind die an der Strecke liegenden Gemeinden Kreis Mettmann, Landeshauptstadt Düsseldorf, Rhein-Kreis Neuss, Stadt Kaarst, Stadtwerke Neuss (SWN) und Wuppertaler Stadtwerke (WSW). Hier wird Service groß geschrieben und die Bahn boomt.

Regiobahn setzt auf Service

Gegründet wurde die Regiobahn 1992. Der Betrieb wurde 1999 aufgenommen, die Deutsche Bahn AG stellte ihren Dienst damals ein.

Wie haben sich seitdem die Fahrgastzahlen entwickelt? Die Deutsche Bahn beförderte zum Ende ihres Betriebs täglich 500 Fahrgäste auf der Strecke Düsseldorf – Mettmann. Schon Ende 1999 fuhr die Regiobahn zwischen Mitmann und Kaarst täglich 5200 Personen im Stundentakt. 2011 erreichte die Regiobahn den bis heute gültigen Höhepunkt von 23.350 Fahrgästen täglich. Die Fahrgastzahl hat sich in den Folgejahren bei 23.000 eingependelt. Jährlich werden 7,1 Millionen Fahrgäste befördert.

Regiobahn Stadtwald
Die Station Mettmann-Stadtwald wurde neu gebaut. Über sieben Millionen Fahrgäste befördert die Bahn in kommunalem Besitz jährlich.

Was ist das Erfolgsrezept der Regiobahn? Service, Sicherheit, freundliches Personal, Zugbegleiter, Investition in moderne Infrastruktur, moderne Züge. So wurde die Endstation in Mettmann, wo auch die Werkstätten liegen, neu errichtet. Die betriebseigenen Gleisanlagen werden seit Jahren systematisch erneuert, nachdem die DB AG die Strecke zuvor aus Kostengründen hatte verkommen lassen. Gefahrenbäume, die bei Sturm auf die Strecke stürzen könnten, werden jedes Jahr entfernt.

Seit Jahren ist die Regiobahn bemüht, die Versäumnisse des Bahnriesen DB zu beseitigen. Muss die Bahnstrecke wegen Bauarbeiten gesperrt werden oder gibt es Störungen im Bahnverkehr, werden den Reisenden Busse als Ersatz angeboten. Dafür wurden feste Ersatzhaltestellen eingerichtet.

Effizienzsteigerung durch Ausbau

Seit 2000 fährt die Bahn im 20-Minuten-Takt von circa 5.00 Uhr bis 20.00 Uhr, dann bis etwa 2.00 Uhr alle 30 Minuten ab Kaarst; von Mettmann ab 4.25 Uhr alle 20 Minuten bis 19.35 Uhr, dann 30-minütig bis etwa 2.00 Uhr (alles Abfahrtzeiten montags bis freitags).

Geplant sind zur Effizienzsteigerung der Bahn und Erweiterung des Angebots der zweigleisige Ausbau, wo die Strecke noch eingleisig verläuft, die Elektrifizierung der gesamten Strecke und die Verlängerung von Mettmann bis nach Wuppertal.

Streckenarbeiter
Die Infrastruktur der betriebseigenen Strecke der Regiobahn wird seit Jahren planmäßig erneuert und modernisiert.

Das Beispiel der Regiobahn zeigt darüber hinaus auch, wie falsch die Entscheidung der Bahn war, sich auf den Fernverkehr zu konzentrieren und die Nebenstrecken nach und nach aufzugeben. Zweifellos besteht gerade im staugeplagten Nordrhein-Westfalen ein Bedarf nach Alternativen zum eigenen Auto, mit dem man auf der Fahrt zur oder von der Arbeit nur zu häufig Stopp and Go erleidet oder gar zum Stillstand kommt. An dieser Entwicklung hat die Bahn nebenbei gesagt nicht unerheblichen Anteil, wenn sie sich darauf konzentriert, dem Luftverkehr Konkurrenz zu machen.

So macht die kleine, vom Riesen DB belächelte Regiobahn vor, wie Bahnverkehr in der Fläche service- und kundenorientiert funktioniert. Die Regiobahn ist eine Erfolgsgeschichte. Service gehört zu einem attraktiven Bahnverkehr dazu. Die Fahrgäste honorieren ihn.

Konkurrenz zum Luftverkehr

Durchfart
Nur wenige ICE lässt die Deutsche Bahn im Solinger Hauptbahnhof halten. Hier jagt einer durch den Bahnhof durch.

Im Zuge der Vorbereitung auf den inzwischen abgeblasenen Börsengang hat die Bahn aber nicht nur Nebenstrecken vernachlässigt, sondern die Infrastruktur insgesamt. Inzwischen ist der Druck so stark, dass die Bahn zum „Wiederaufbau West“ bläst. Mehr als eine Milliarde Euro sollen in die Sanierung, Modernisierung und den Ausbau des Streckennetzes in NRW allein in diesem Jahr fließen. Bahnchef Werner Lübberink kündigt laut Rheinischer Post über 1000 Baustellen im kommenden Jahrzehnt an. Er räumt ein, dass die Bahn-Infrastruktur „grob vernachlässigt“ worden sei.

National Express
Den Rhein-Wupper-Express Köln – Solingen – Wuppertal bedient heute National Express

Die Städte und Gemeinden werden dabei einen guten Teil der Last tragen, indem sie sogar zeitweise vom Streckennetz abgekoppelt werden. Die Reisenden werden lästige Fahrplanänderungen, Zugausfälle und Streckensperrungen verkraften müssen. Darauf werden sich auch die Solinger einstellen müssen.

Baustellen mit Kommunen absprechen

Die Bahn geht bei ihren Maßnahmen bekanntlich ja nicht gerade zimperlich vor und die Kommunikation mit den Städten und Gemeinden lässt leider oft zu wünschen übrig. Dies zeigte sich unter anderem 2007, als mit einem Fahrplanwechsel überraschend Intercity-Verbindungen durch den ICE ersetzt wurden – der zum Leidwesen von Berufspendlern aber nicht in Solingen hielt. Baumaßnahmen sollten gerade bei einem so umfangreichen Programm unbedingt mit den Kommunen abgesprochen und koordiniert werden.