Dichte Wälder, alte Industrielandschaft
Solingen im Bergischen Land, das waren für mich einst Stahlwaren, Ruhrgebiet und ansonsten Niemandsland. Allenfalls das benachbarte Wuppertal war mir wegen seiner Schwebebahn noch bekannt. Als es mich Ende der 1970er Jahre aus Berlin ins Bergische Land verschlug, habe ich schnell gelernt, dass Solingen mehr ist als Messer- und Schwerterproduktion und dass das Bergische beileibe nicht zum Ruhrpott zählt.
Mehr Bilder aus dem Bergischen>>>
Grüne Täler und Wälder, dennoch in einem großstädtisch besiedelten Raum, eine uralte Kultur- und Industrielandschaft, quicklebendig und im Wandel, sich für die Zukunft des 21. Jahrhunderts rüstend. Das Bergische ist für mich Berliner zur Heimat geworden, gastfreundlich und erlebnisreich für zigtausende Touristen, Wochenend- und Tagesbesucher, die jedes Jahr hier zu Gast sind und erlebnisreiche Stunden verbingen.
Schloss Burg: Mittelalter erleben
Als Herzkammer des Bergischen Landes wird Schloss Burg gerühmt, eine der größten wieder aufgebauten Schlossanlagen in Westdeutschland. Erbaut wurde sie im 12. Jahrhundert (nach 1133) und ersetzte den Stammsitz Burg Berge, von der noch Reste bei Odenthal und Altenberg erhalten sind. Das Haus beherbergt nicht nur das Bergische Museum, der Verein der Georgs Ritter lässt mit Ritterspielen die Zeit des Adolf von Berg, von Edeldamen, edlen Streitern hoch zu Ross und ebensolchen Schurken wieder aufleben. Die Stücke des Vereins zeigen Ränke und Kämpfe, bieten den Besuchern mittelalterliches Lagerleben des Bergischen Landes mit Schwertern, Helmen und Rüstungen zum Anfassen.
Als zweiter Verein sorgt die Einzig wahre Bergische Ritterschaft für mittelalterliches Leben auf der Burg wie zu Zeiten des Engelbert II., als Schloss Burg ein bedeutendes europäisches Machtzentrum war. Bei Mittelaltermärkten stellen sich gewandete Besucher ein, um Gaukler zu bestaunen, Bänkelsängern zu lauschen sowie Schmieden, Instrumentenbauern und anderen traditionellen Handwerkern über die Schultern zu schauen.
Gaststätten auf dem Burgberg hoch über der Wupper laden zur Bergischen Kaffeetafel ein, Shops bieten alte, wieder aufgelebte Handwerkskunst und Souvenirs. Schloss Burg ist aber nicht nur Anziehungspunkt für Mittelalterfans, sondern auch für Spaziergänger, Wanderer und Radfahrer, die die schöne bergische Landschaft erkunden wollen.
Müngsten: Erholung unter der hohen Brücke
In der Nähe, ebenfalls in Solingen, liegt der Müngstener Brückenpark unter Deutschlands mit 107 Metern höchster Eisenbahnbrücke hoch über der Wupper. Mit einer mit Handkraft angetriebenen Schwebefähre können Besucher hier den Fluss überqueren, unter der Brücke entspannen, Minigolf spielen oder die Gastronomie von Haus Müngsten genießen. Mit Fördermitteln des Landes wurde dieser Anziehungspunkt des Bergischen Landes bei der Regionale wieder herausgeutzt.
Wuppertal: Schwebebahn über dem Fluss
Weiter flussaufwärts kommt der Besucher des Bergischen nach Vohwinkel, wo eine weitere, einzigartige Attraktion des Bergischen Landes startet, die Wuppertaler Schwebebahn. Mit ihr bewegen sich täglich 85.000 Fahrgäste durch das gesamte Tal. Sie fährt von Vohwinkel aus über der Kaiserstraße, ab Zoo dann stets dem Lauf des Flusses folgend, über Elberfeld und Barmen bis nach Oberbarmen.
Mit der Einschienenhängebahn lösten die Stadtväter die Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmenden Verkehrsprobleme in dem engen Tal. Zukunftsweisend ist das Verkehrskonzept auch im 21. Jahrhundert noch. Mit Millioneninvestitionen zur Überholung des Schienengerüstes, für neue Fahrzeuge und ein neues Verkehrsleitsystem wie beim TGV oder dem ICE machen die Wuppertaler ihre Bahn für die nächsten Jahrzehnte fit.
Solingen: Abgasfrei mit dem Obus
In Vohwinkel hat die einzigartige Schwebebahn zudem Anschluss an ein anderes, in Deutschland nicht häufig anzutreffendes Verkehrssystem – den Obus. Solingen verfügt über den größten und längsten Trolleybusbetrieb Deutschlands. Weitere Obusbetriebe gibt es hier nur noch in Eberswalde und Esslingen. Sauber, ohne Abgase bringt der Obus seine Fahrgäste ans Ziel.
Im Obusmuseum, angesiedelt bei den Solinger Verkehrsbetrieben, können Fans sich über die Geschichte des
Strippenexpress informieren und alte Fahrzeuge bewundern wie den Uerdingen/Henschel ÜH IIIs, der zu Sonderfahrten gebucht werden kann, oder den speziell für die Solinger entwickelten Krupp/Ludewig TS3. Letzteres Fahrzeug war nach seiner Ausmusterung jahrzehntelang in Mendoza/Argentinien im Einsatz, bevor der Verein Obus-Museum Solingen ihn wieder zurück in die einstige Heimat holte.
Kohlfurth: Historische Straßenbahnen auf Achse
Weitere Zeugnisse der Verkehrsgeschichte finden Straßenbahnfreunde an der Stadtgrenze von Solingen nach Wuppertal bei den Bergischen Museumsbahnen. Der Verein sammelt historische Straßenbahnen, bereitet sie auf und verkehrt an mehreren Fahrtagen im Sommerhalbjahr auf einer wieder instandgesetzten Strecke zwischen der Kohlfurt und dem Manuelskotten.
Auf der Solinger Seite der Wupper steht das Café Hubraum – ein wahrer Magnet für Motorradfahrer. Bei gutem Wetter treffen sich hier vor allem an den Wochenenden hunderte Motorradfahrer, machen Rast, trinken Kaffee odere Limo und pflegen Benzingespräche. Einen weiteren Motorradtreff gibt es im Niederbergischen zwischen Mettmann und Erkrath im Neandertal: das Café Schräglage.
Erkrath: Lokschuppen am steilen Gleis
Das Museum Lokschuppen Hochdahl dagegen hält die Erinnerung wach an die steilste Eisenbahnstrecke Westdeutschlands von Düsseldorf nach Hochdahl, deren Gefälle aus der Rheinebene auf die bergischen Höhen sich früher nur mit Hilfe von stählernen Zugseilen und einer Umlenkrolle überwinden ließ: Eine talwärts fahrende Lok zog dabei jeweils eine bergauf fahrende über eine Strecke von zweieinhalb Kilometern 82 Meter in die Höhe.
Museen und geschichtsträchtige Plätze
Bei Rundfahrten mit Oldtimern können von Frühjahr bis Herbst historische Sehenswürdigkeiten des Bergischen Landes angefahren werden. Neben den bereits genannten Zielen gehören dazu auch das Textilmuseum Cromford in Ratingen, die erste Fabrik auf dem europäischen Festland. Ferner die Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen, der historische Marktplatz Solingen-Gräfrath, das Tuchmuseum Remscheid-Lennep und vieles mehr.
Tief in die Vergangenheit reicht auch die Geschichte des Altenberger Doms, dessen Bau in das Jahr 1255 zurückreicht. Er wurde als Klosterkirche der Zisterzienserabtei Altenberg errichtet. Für die Klosteranlage nutzten sie als Steinbruch
die in der Nähe gelegene Burg Berge, den aufgegebenen Stammsitz der Grafen von Berg, die sich die Burg Neuenberge, das heutige Schloss Burg in Solingen, als Herrschaftssitz errichtet hatten. Der Dom diente bis 1511 als Begräbnisstätte der Grafen und Herzöge von Berg.
Nach der Auflösung der Zisterzienserabtei bei der Säkularisation 1803 ging der gothische Dom in wechselnden Privatbesitz und verfiel nach einem Brand zusehens. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Abteikirche in mehreren Phasen wieder aufgebaut. Heute befindet sich der Altenberger Dom im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen und dient nach Vorgabe einer Kabinettsorder von König Friedrich Wilhelm IV. der evanglischen und der katholischen Gemeinde als Pfarrkirche. 1994 begannen erneut umfangreiche Sanierungsarbeiten, die auch das Kloster umfassen. Der Domladen informiert Gäste über die Geschichte des Ortes.
Bergisches Land: Das ist vor allem die fleißige Wupper
Zahlreiche Vereine und Einrichtungen erinnern an die Vergangenheit des Bergischen Landes, einer der ältesten Industrieregionen Europas. Treibende Kraft zu dieser Entwicklung war die Wupper, an deren Ufern einst hunderte von Kotten standen, davon allein 26 in Solingen. Die unzähligen Schleifsteine und Hammerwerke wurden von der Kraft des Wassers angetrieben und machten den Fluss äußerlich zu einer Aufreihung stehender Gewässer.
Wipperkotten: ein lebendiges Museum
In Solingen zeugt von dieser Vergangenheit der einzig noch erhaltene Doppelkotten an der Wupper, der Wipperkotten. In dem Außenkotten (landseitig) gehen noch heute Schleifer ihrem Handwerk nach. Lässt der Wasserstand des Flusses dies zu, nutzen sie noch heute Wasserkraft zum Schärfen von Messern. Am Leben gehalten wird dieses lebendige Museum von einem privaten Verein.
In dem Außenkotten dicht an den Wellen der Wupper haben Künstler eine
Heimstatt gefunden. Zweite in Solingen erhaltene Produktionsstätte dieser Art ist der Balkhauser Kotten, betrieben von einem Kuratorium und eingerichtet als Museum und Veranstaltungsort.
Klingenmuseum: Erinnerung an Europas Waffenschmiede
In Solingen zeugt auch das Deutsche Klingenmuseum von der Vergangenheit der Stadt und Teilen des Bergischen Landes als Besteck- und Schwertschmiede Europas. Waffen von hier wurden früher in aller Herren Länder verkauft. Seit 1363 (Wikipedia) werden in den Kotten der Stadt Schwerter hergestellt.
Neandertal: Fundstelle des Eiszeitmenschen
Im Niederbergischen Land, dem heutigen Kreis Mettmann, liegt nur eine halbe Stunde Fahrzeit von Solingen oder Wuppertal aus die weltberühmte Fundstelle des Neandertalers. Unweit der Höhle, in der die Knochen des Eiszeitmenschen 1856 gefunden wurden, liegt heute das Neanderthal Museum zwischen Mettmann und Erkrath. Es zeigt Fundstücke und deren Nachbildungen vom Neandertaler und aus der allgemeineren Entwicklungsgeschichte des Menschen. Die Fundstelle des Neandertalers wurde für Besucher hergerichtet.
Das Museum: Netzwerk der Menschwerdung
Die Wissenschaftler des Hauses widmen sich der Erforschung der Menschwerdung – nicht nur des ausgestorbenen Neandertalers (Homo neanderthalensis), sondern auch der des modernen Menschen, des Homo sapiens. Sie schaffen ein weltumspannendes Netzwerk für Wissenschaftler und versuchen unter anderem die Frage zu beantworten, wie viel Neandertaler heute noch in uns steckt.
Neben der Dauerausstellung zur Menschheitsgeschichte greifen die Wissenschaftler des Neanderthal Museums regelmäßig in Wechselausstellungen Themen auf wie die Bedeutung des Fleischkonsums an der Menschheitsentwicklung, die der Pferde und des Wolfes, sie gehen den ältesten Operationen der Welt nach (Loch im Kopf) und der Bedeutung der Schamanen als Jäger und Heiler Sibiriens.
Wülfrath: Tunnel der Erdzeitalter
In Wülfrath, der kleinsten Stadt des Kreises Mettmann, geht es noch weiter in die Geschichte zurück. Im Zeittunnel, der in einem für den Kalkabbau in den Berg getriebenen Stollen eingerichtet wurde, geht es gleich 400 Millionen Jahre in die Vergangenheit. Thema des Tunnels ist die Entwicklungsgeschichte der Erde und des Lebens durch die verschiedenen Erdzeitalter hindurch. Zum Abschluss der Wanderung durch die Erdgeschichte werfen die Besucher einen Blick in die tiefe Grube des Bochumer Bruchs, aus dem einst Kalkstein für die Stahlproduktion im Ruhrgebiet gewonnen wurde.
Panorama: Auf Bahnstrecken durchs Bergische radeln
Kreis Mettmann, Bergisches Städtedreieck und das weitere Bergische Land verfügen über ein in den letzten Jahren zunehmend ausgebautes Radwegenetz. Genutzt werden dafür alte, stillgelegte Bahnstrecken. Auf ihnen können Touristen und Ausflügler dank eisenbahngemäßer, nur geringer Steigungen das Bergische, seine schöne Landschaft und die Sehenswürdigkeiten erkunden.
Im Kreis Mettmann lädt der Radweg Niederbergbahn zum Radeln ein, in Wuppertal die Nordbahntrasse und in Solingen die Korkenzieherbahn. Über die Balkantrasse geht es weiter hinein ins Bergische Land. 300 Kilometer Radwege führen vom Niederbergischen bis ins Siegerland. Anschluss an Fernradwege im Westfälischen und den Niederlanden inbegriffen.
Talsperren und Flüsse: tauchen, paddeln, baden
Geprägt wird die bergische Landschaft von vielen Talsperren zur Flussregulierung und Trinkwassergewinnung. Viele dienen zudem der Naherholung und sind für Wassersportler nutzbar. Es gibt weltweit kaum eine Region mit derart vielen Talsperren auf so engem Raum.
Segeln auf der Bever, tauchen nach Ruinen in den Seen der Aggertal- oder der Wuppertalsperre, Baden in den Strandbädern der Talsperren, planschen im Spaßbad – das und mehr bietet die Wassersportregion Bergisches Land.
Wer es aufregender mag und hoch hinaus will: Der kann sich mit erfahrenen Fallschirmspringern im Tandem in die Tiefe stürzen. Oder auf einem der Sportflugplätze der Region einen Rundflug buchen und das Bergische von oben erleben.
Die Wupper: Natur entdecken im Kanu
Erkundungen der reizvollen Landschaft sind übrigens nicht nur zu Fuß, mit dem Fahrrad oder in historischen Fahrzeugen möglich, sondern auch auf dem Wasser. Auf der Wupper werden von verschiedenen Veranstaltern Kanutouren angeboten, die etwa von Solingen aus flussabwärts Richtung Leichlingen und Leverkusen führen, wo die Wupper in den Rhein mündet. Auch auf dem Rhein sind natürlich Bootstouren möglich. Nahe der heutigen Mündung gibt es seit 2014 einen weiteren Anziehungspunkt: Eine der letzten Schiffsbrücken des Landes, die mit öffentlichen Mitteln rekonstruiert wurde und vom Förderverein Schiffsbrücke Wuppermündung bewirtschaftet wird.
Schiffsbrücke: Einigkeit, Recht und Freiheit
Sie liegt in einem verlandeten Seitenarm der Wupper und lädt mit ihrer Gastronomie Gäste zum Verweilen und Genießen ein – mit Blick auf den Rhein und die Schleppkähne und Passagierschiffe. Der Steg der Brücke ruht auf drei 80 bis 100 Jahre alten Schiffskörpern: dem Klipper „Einigkeit“, dem Aalschokker „Recht“ und der Tjalk „Freiheit“. Gebaut wurden die Schiffe in den Niederlanden. Sie waren einst typisch für den Schiffsverkehr und die Fischerei auf dem Rhein bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Selbst in den Niederlanden gibt es heute keine vergleichbare Flussquerung mehr.